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Masken



Etwas ist anders. Die Art wie ich rede, die Worte, die ich benutze, meine Gestik, wie oft ich lache, meine Mimik. Jemand anderem fällt es vielleicht nicht mal auf, aber mir schon. Ich fühle das immer wieder, schon seit ich ein Kind bin. Je nachdem, mit welcher Person ich gerade rede oder Zeit verbringe, verhalte ich mich anders. Nicht, dass ich gleich meine ganze Meinung ändern würde. Aber kleine Dinge.


Irgendwann bin ich dann auf den Begriff «people pleaser» gestossen und habe mich darin erkannt. Mir war das lange Zeit gar nicht bewusst. Das heisst, dass ich in einer Situation alles mögliche tue, damit sich mein Gegenüber wohlfühlt. Ich mag Konfrontationen absolut nicht und würde am liebsten davonlaufen, sobald ein Konflikt naht (obwohl ich weiss, dass das natürlich nicht die richtige Umgangsweise damit ist). Damit ich meinem Gegenüber ein gutes Gefühl geben kann, versuche ich mich dementsprechend zu verhalten. Das heisst, dass ich mich automatisch so verhalte, wie ich denke, dass es die andere Person von mir will oder erwartet.


Ich mache das nicht bewusst. Das passiert ganz automatisch in mir drin. Ich analysiere die Personen um mich herum ständig und stelle mir innerlich vor, was sie für Erwartungen sie an mich haben, was sie von mir wollen und was sie sich wünschen, wie ich mich verhalten soll. Und als ein «people pleaser» stelle ich das nicht in Frage, sondern versuche mich dementsprechend zu verhalten. Ich weiss nicht mal, ob anderen Personen auffallen würde, dass ich anders mit Ihnen spreche als mit einer anderen Person. Aber mir fällt es auf, weil ich auch mich selber ständig analysiere.


Ich denke, dass es am Ende doch nur sehr kleine Unterschiede in meinem Verhalten sind. Doch wenn man hochsensibel ist, sind oftmals auch kleine Unterschiede plötzlich wichtig. Alles fällt auf, alles sticht heraus.

Man kann sich vorstellen, wie anstrengend es für mich ist, wenn mehrere Personen, die ich individuell kenne, plötzlich in einer Gruppe zusammenkommen. Der Wunsch, allen gefallen zu wollen, stellt meine Innenwelt extrem auf den Kopf. Ich möchte mich verhalten, wie es mein Gegenüber von mir wünscht, aber wenn ich mehrere Gegenüber mit mehreren Erwartungen habe, weiss ich plötzlich nicht mehr, wie ich mich verhalten soll. Ich bin oftmals deswegen extrem überfordert in Gruppen, besonders in grösseren.

Ich hatte immer wieder Probleme damit. Als mir das zum ersten Mal auffiel, dass ich mich je nach Person anderes verhalte, war ich erschrocken, ab mir selber. Ich hatte Angst, dass andere Personen über mich denken, ich sei nicht ehrlich mit ihnen, oder dass ich falsch bin. Ich hatte ständig Angst, dass es jemandem auffallen würde und mich als unauthentisch bezeichnen würde. Ich hatte das Gefühl, dass ich bei jeder Person eine andere Maske trage, und wenn mehrere Personen anwesend waren, musste ich mehrere Masken gleichzeitig tragen, was nicht möglich ist und mich jedes Mal extrem überforderte. Ich bevorzuge es, mich auf eine einzige Person zu konzentrieren als auf mehrere miteinander.


Aber um das nochmals zu sagen: Es geht hier nicht um ethische Fragen, die ich plötzlich in der Gegenwart anderer Personen anders beantworten würde, sondern um kleine Dinge wie Mimik, Gestik, gewisse Wörter, die ich benutze, Tonfall usw. Kleine Dinge, die vielleicht kaum jemanden auffallen, aber mich jedes Mal aufs neue überfordern.


Jedoch verbog ich mich doch immer ein kleines bisschen. Und immer wieder stellte ich mir die Frage: «wer bin ich denn wirklich?» Wenn ich mich bei jeder Person etwas anders verhielt, mit wem bin ich dann wirklich mich selber? Mit wem rede ich dann genau so, wie ich es will und wie ich bin? Das ist eine Frage, die ich bis heute schwierig finde zu beantworten. Denn ich «verstelle» mich nicht bewusst, sondern ganz automatisch.


Ich denke, es gibt Personen, die mir intuitiv ein weniger gutes oder ein besseres Gefühl geben. Ich glaube, dass ich ein sehr intuitiver Mensch bin. Vielleicht ist man das automatisch, wenn man ein «people pleaser» ist. Denn ich weiss ja gar nicht, was diese Leute in Wirklichkeit wollen. Ich versuche nur, sie zu analysieren und ihre Wünsche zu lesen. Das passiert ganz intuitiv. Und die Menschen, die mir instinktiv ein gutes Gefühl geben, sind vermutlich auch die Menschen, bei denen ich frei atmen kann, und wo ich am meisten so bin, wie ich bin.


Ein anderer Gedanke ist, dass ich vermutlich auch bei jeder Person einen Teil von mir selber bin. Natürlich werde ich niemandem eine klare Meinung sagen, die ich nicht vertrete, nur, weil diese Person das hören will. Es geht mehr um ein Gefühl, die ich bei dieser Person habe, um meine Art generell, die bei jeder Person etwas anders ist. Aber ich mag den Gedanken, dass das nichts mit Falschheit zu tun hat, sondern dass das einfach auch ein Teil von mir ist. Vielleicht bringt jede Person wieder einen etwas anderen Teil in mir hervor. Klar, ich muss lernen, was mir wirklich wichtig ist und daran festhalten. Mich nicht zu fest verbiegen. Aber ich sollte vielleicht nicht so streng zu mir sein, wenn ich merke, dass einer Person etwas gesagt habe, dass ich bei einer anderen nie sagen würde. Das gehört irgendwie zu mir dazu.


Vielleicht ist das auch so ein Hochsensibel-Ding. Oder eine Mischung aus meiner Introvertiertheit und meiner Hochsensibilität. Ich analysiere meine Umgebung ständig, dabei nehme ich oftmals auch und vor allem die kleinen, oder weniger wichtigen Dinge wahr. Und als jemand, der Wert auf Harmonie und Beziehungen legt, versuche ich mich nach diesen kleinen Dingen, die die andere Person mag, zu richten.

Ich versuche nun also, nicht mehr so streng mit mir zu sein. Ich denke nicht, dass ich eine falsche Person bin, nur weil ich versuche, es anderen Personen Recht zu machen. Eigentlich ist das ja auch eine gute Eigenschaft. Ich bin um Harmonie bemüht, und hoffe, dass ich auch zu Harmonie beitragen kann. Und ich versuche mir bewusst zu machen, was mir tief innen wichtig ist und daran festzuhalten. Und Zeit verbringen mit Leuten, die mir ein gutes Gefühl geben. Und ich so die Masken vielleicht ein klein wenig fallenlassen kann.

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